Alles über Ampeln

Eine pro 1.000 Bewohner. So lautet die Faustformel, nach der sich die Anzahl von Ampeln in deutschen Städten in etwa bemisst. Gut 50.000 Lichtsignalanlagen gibt es in Deutschland. Eine der ersten wurde 1924 auf dem Potsdamer Platz in Berlin aufgestellt, als der wachsende Verkehr die bis dato den Verkehr regelnden Polizisten zu überfordern begann.

Ampeln als Konfliktlöser

Sie stehen in der Regel an Kreuzungen und sorgen mit ihrem ausgeklügelten Rot-Gelb-Grün-Wechselspiel dafür, dass alle Verkehrsteilnehmer auf Straße, Schiene, Rad- und Fußweg möglichst sicher und reibungslos vorankommen. Und wer sich schon einmal gefragt hat, weshalb es in diesem Wechselspiel immer auch eine Phase gibt, in der alle Ampeln einer Kreuzung gleichzeitig auf Rot stehen: die Überfahrzeit. Etwa für den Radfahrer, der noch bei Gelb die Ampel passiert und Zeit braucht, die Kreuzung zu überqueren. Und auch der Bus, der bei Gelb mit Rücksicht auf die Passagiere nicht einfach scharf bremsen kann, benötigt ebenfalls ausreichend Zeit - etwa sieben Sekunden – um über die Kreuzung zu kommen. Aber auch mancher Autofahrer, der noch bei Kirschgrün gemächlich in die Kreuzung fährt, und damit einen Rotlichtverstoß begeht, profitiert von dieser Sicherheitszeitreserve.

Alles eine Frage der Schaltung

Galt früher das Primat der grünen Welle - freie Fahrt für den Autoverkehr – wird heute eher ein Gleichgewicht mit dem Rad-, Fußgänger- sowie Bus-/Straßenbahnverkehr angestrebt. Es gibt aber auch Städte und Gemeinden, die den Öffentlichen Nahverkehr bevorzugen. In Kiel zum Beispiel hat der ÖPNV bereits seit 1988 Vorrang. Möglich wird dies durch Ampeln, die nicht nur stur in einem etwa 80 Sekunden dauernden Takt ihr Lichtwechselprogramm abspulen. Solche Anlagen können auch auf das tatsächliche Verkehrsaufkommen reagieren. Per Funk zum Beispiel. So können in manchen Städten die Busfahrer per Knopfdruck bei der Ampel eine Grünphase anfordern. Das ist besonders dann von Vorteil, wenn der Bus ohnehin schon Verspätung hat.

Manche Kommunen beginnen bereits, auch Rettungsfahrzeuge oder Feuerwehr mit dieser Funktion auszustatten. Auf diese Weise können Notfalleinsätze noch sicherer werden, weil das Einsatzfahrzeug die Vorfahrt nicht nur per Blaulicht und Martinshorn einfordert, sondern sie per Ampelschaltung wirklich erhält.

Auf der Suche nach dem Optimum

Grünphasen sind ein effektives Instrument, um den Verkehrsfluss zu steuern. Und ein hochkomplexes noch dazu. Schließlich es ist nicht damit getan, Bus und Bahn per Knopfdruck freie Fahrt zu geben. Denn wenn dreißig Autos anhalten, um einem Bus Vorfahrt zu gewähren und dann wieder anfahren, ist das nicht unbedingt gut für die Feinstaub- und Stickoxid-Bilanz. Dieses Dilemma kennen auch die Verkehrsplaner zur Genüge. Ihre Hoffnungen ruhen auf einer Verkehrsleittechnik, die irgendwann ohne Ampeln auskommt.

Eines Tages, wenn die Technik des autonomen Fahrens so ausgereift ist, dass sich die Autos untereinander verständigen und den Verkehr selbstständig regeln können, werden Ampeln überflüssig sein. Doch bis dahin müssen wir uns noch alle ein wenig gedulden. Und an unseren eigenen Strategien feilen, um dem Verkehrsstau zu umgehen. Nicht nur durch Schleichwege, sondern auch durch Abwägen: Wann ist das Auto die richtige Wahl und wann wäre es besser, zu Fuß, per Rad, Bus oder Bahn aufzubrechen. In Japan zum Beispiel ist bei Joggern eine App der Renner. Sie hilft, die eigene Lauf-Route möglichst unter Vermeidung von Ampeln zu planen, bzw. deren Grünphasen im Streckenverlauf zu berücksichtigen.

Der entscheidende Faktor

Die psychologisch wichtige Schmerzgrenze für eine Rotphase an der Ampel liegt übrigens bei 120 Sekunden. Alles, was länger dauert, weckt bei den Wartenden Unmut und Misstrauen: Fußgänger gehen bei Rot los, Rad- und Autofahrer halten zwar einen Moment länger durch, beginnen dann aber ebenfalls, sich in Bewegung zu setzen. Und dann hat auch eine Ampel als Konfliktlöser wenig zu melden.

 

 

 


Foto: candy1812

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