Die Ampelkoalition und die (Auto-)Mobilität

Am 24.11.2021 stellte die Ampelkoalition ihren 177 Seiten starken Koalitionsvertrag vor. Seit 07.12.2021 ist die neue Regierung im Amt. Das Verkehrsressort ging an die FDP. Der neue Bundesverkehrsminister, Volker Wissing, hatte bereits während der Koalitionsverhandlungen für Irritationen gesorgt. So wurde er in der BILD-Zeitung mit den Worten zitiert, die FDP werde dafür Sorge tragen, dass höhere Energiesteuern auf Dieselkraftstoffe durch geringere Kfz-Steuern ausgeglichen werden. Diese Aussage blieb jedoch nicht unwidersprochen.

Grünen-Verkehrsexperte Stefan Gelbhaar konterte Wissings Statement postwendend im SPIEGEL mit dem Verweis darauf, dass der Koalitionsvertrag eine Angleichung der Dieselkosten an die Benzinkosten vorsehe. Das wiederum nahm SPD-Fraktionsvize Achim Post zum Anlass, in der WELT darauf hinzuweisen, dass der Koalitionsvertrag nicht vorsehe, die Steuern auf Diesel zu erhöhen. Vielmehr sei eine Überprüfung der Kfz-Steuer geplant, falls die Abgaben auf den Dieseltreibstoff steigen sollten.

Es könnte also sein, dass in dieser Frage bereits ein Konfliktherd entsteht. Aber es gibt ja durchaus noch mehr Themen, die bei der Mobilität der Zukunft eine Rolle spielen. Was der neuen Regierung dazu vorschwebt, zeigt ein Blick in den Koalitionsvertrag.

Die Parteien sind sich darin einig, dass Mobilität ein „zentraler Baustein der Daseinsvorsorge, Voraussetzung für gleichwertige Lebensverhältnisse und die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschafts- und Logistikstandorts Deutschland mit zukunftsfesten Arbeitsplätzen“ ist. Und sie versprechen, dass sie hierfür die Infrastruktur ausbauen und modernisieren sowie Rahmenbedingungen für vielfältige Mobilitätsangebote in Stadt und Land weiterentwickeln werden. Folgende Themenfelder und Maßnahmen werden im Koalitionsvertrag benannt:

Infrastruktur

Die Koalition will „wesentlich mehr in die Schiene als in die Straße investieren“. Bei Fernstraßen liegt der Fokus stärker auf Erhalt und Sanierung. Für die Lkw-Maut soll es ab 2023 eine CO2-Differenzierung geben.

ÖPNV und neue Mobilitätsangebote

Die Fahrgastzahlen im öffentlichen Personennahverkehr sollen deutlich gesteigert werden. Auch der Umgang mit Mobilitätsdatenschätzen spielt im Koalitionsvertrag eine Rolle. So sollen Mobilitätsanbieter dazu verpflichtet werden, ihre Echtzeitdaten zu teilen. Dies erleichtert die Entwicklung anderer datengetriebener Anwendungen und Nutzungsmöglichkeiten mit dem Ziel einer nachhaltigen Mobilität.

Das Bemühen um einen ganzheitlichen im Ansatz zeigt sich auch in dem Vorhaben, neue Mobilitätsdienste und Carsharing in eine langfristige Strategie für autonomes und vernetztes Fahren einzubeziehen.

Autoverkehr

Hier lautet das Ziel, dass bis 2030 Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität wird. Hierzu möchte die Koalition mindestens 15 Millionen E-Autos auf deutschen Straßen sehen. Und zur Frage nach einem möglichen Aus für Verbrenner heißt es: „Gemäß den Vorschlägen der Europäischen Kommission werden im Verkehrsbereich in Europa 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zugelassen – entsprechend früher wirkt sich dies in Deutschland aus. Außerhalb des bestehenden Systems der Flottengrenzwerte setzen wir uns dafür ein, dass nachweisbar nur mit E-Fuels betankbare Fahrzeuge neu zugelassen werden können.“

An anderer Stelle im Vertrag steht: „Schritt für Schritt beenden wir das fossile Zeitalter, auch, indem wir den Kohleausstieg idealerweise auf 2030 vorziehen und die Technologie des Verbrennungsmotors hinter uns lassen.“

Auch die öffentliche Ladeinfrastruktur ist ein Thema. So sollen bis 2030 eine Million öffentliche Ladesäulen entstehen, und zwar vor allem Schnellladepunkte. „Wir setzen auf die Mobilisierung privater Investitionen. Wo wettbewerbliche Lösungen nicht greifen, werden wir mit Versorgungsauflagen, wo baulich möglich, die verlässliche Erreichbarkeit von Ladepunkten herstellen“, heißt es weiter.

Randnotiz:
Bereits jetzt ist das Laden von Elektroautos in manchen Städten und Gemeinden ein Problem, da nicht genügend Ladestationen verfügbar sind. So werden beispielsweise in Städten wie Stuttgart und Hannover bereits Bußgelder wegen wilden Ladens verhängt. Denn einige E-Autobesitzer sind bereits dazu übergegangen, ihr Auto an der heimischen Steckdose zu laden und das Ladekabel dann einfach quer über den Bürgersteig oder die Straße zu legen.

Für den Umgang mit den Mobilitätsdatenschätzen ist ein Mobilitätsdatengesetz vorgesehen. Es soll freien Zugang zu Verkehrsdaten sicherstellen. Bei Fahrzeugdaten hingegen strebt die Ampel ein Treuhänder-Modell an, „das Zugriffsbedürfnisse der Nutzer, privater Anbieter und staatlicher Organe sowie die Interessen betroffener Unternehmen und Entwickler angemessen berücksichtigt“.

Elektroauto-Förderung

In dieser Frage scheinen sich Grüne und SPD gegen die FDP durchgesetzt zu haben. Zwar wird die E-Auto-Prämie vorerst bis zum 31. Dezember 2022 unverändert fortgeführt. Ab 1. Januar 2023 soll sie jedoch nur für Kfz gewährt werden, „die nachweislich einen positiven Klimaschutzeffekt haben“. Der Klimaschutzeffekt wird dabei über die elektrische Reichweite definiert. So muss diese ab dem 1. August 2023 mindestens 80 Kilometer betragen, um Subventionen zu bekommen. Nach 2025 soll es keine Förderung mehr geben.

Auch bei den Plug-in-Hybriden (PHEV) will die Koalition umsteuern. Um Fehlanreize zu mindern und den elektrischen Fahranteil zu erhöhen, sollen PHEV nur noch dann mit 0,5 Prozent versteuert werden können, wenn sie zu mehr als 50 Prozent elektrisch fahren. Andernfalls greift die Ein-Prozent-Regelbesteuerung. Wie eine solche Regelung umgesetzt werden soll, darüber schweigt sich der Koalitionsvertrag aus.

Automobilstandort Deutschland

Produktion und Recycling von Batteriezellen in Deutschland ist für die neue Regierung ebenfalls ein Thema von zentraler Bedeutung: „Wir unterstützen die Transformation des Automobilsektors, um die Klimaziele im Verkehrsbereich zu erreichen, Arbeitsplätze sowie Wertschöpfung hierzulande zu erhalten“, heißt es in dem Papier. So ist auf Bundesebene eine Strategieplattform „Transformation Automobilwirtschaft“ geplant, über die sich Mobilitätswirtschaft, Umwelt- und Verkehrsverbände, Sozialpartner, Wissenschaft, Bundestag, Länder und kommunale Spitzenverbände mit den zuständigen Bundesressorts austauschen können.

Radverkehr

Dieses Themenfeld dürfte vor allem die Handschrift der Grünen tragen: „Wir werden den Nationalen Radverkehrsplan umsetzen und fortschreiben, den Ausbau und die Modernisierung des Radwegenetzes sowie die Förderung kommunaler Radverkehrsinfrastruktur vorantreiben. Zur Stärkung des Radverkehrs werden wir die Mittel bis 2030 absichern und die Kombination von Rad und öffentlichem Verkehr fördern. Den Fußverkehr werden wir strukturell unterstützen und mit einer nationalen Strategie unterlegen“, heißt es dazu wörtlich.

Schiffsverkehr

Hierzu wird nur recht allgemein die Absicht erklärt, dass Landstrom sowie alternative Antriebe und Kraftstoffe gefördert werden sollen.

Luftverkehr

Bessere Bahnverbindungen sollen die Anzahl von Kurzstreckenflügen verringern. Bei der EU will sich die neue Regierung dafür einsetzen, dass Flugtickets „nicht zu einem Preis unterhalb der Steuern, Zuschläge, Entgelte und Gebühren verkauft werden dürfen“. Einnahmen aus der Luftverkehrssteuer sollen in die Förderung CO2-neutraler strombasierter Flugkraftstoffe sowie in die Forschung, Entwicklung und Flottenmodernisierung im Luftverkehr fließen.

Verkehrsordnung

Recht konkret sind die Vorhaben in diesem Bereich. Wie sich bereits abzeichnete, wird es kein generelles Tempolimit geben. Begleitetes Fahren soll künftig bereits ab 16 Jahren möglich sein. Entgegenkommen zeigen die Regierungsparteien auch beim noch bestehenden staatlichen Monopol der Fahrerlaubnisprüfung. Dieses wird aufgegeben.

Als Maßnahme für mehr Sicherheit und weniger Unfälle im Straßenverkehr ist im Koalitionsvertrag verfügt, dass in Nutzfahrzeugen Notbrems- und Abstandsassistenten nicht mehr abgeschaltet werden dürfen.

Wasserstoffstrategie

Ähnlich wie bei der Batteriezellenproduktion soll Deutschland auch beim Wasserstoff zum Leitmarkt werden. So soll die Produktion von grünem Wasserstoff entsprechend gefördert werden. Im Koalitionsvertrag werden Mobilität und Brennstoffzellenfahrzeuge als Abnehmer jedoch nicht direkt angesprochen. Stattdessen heißt es: „Wir wollen den Einsatz von Wasserstoff nicht auf bestimmte Anwendungsfelder begrenzen. Grüner Wasserstoff sollte vorrangig in den Wirtschaftssektoren genutzt werden, in denen es nicht möglich ist, Verfahren und Prozesse durch eine direkte Elektrifizierung auf Treibhausgasneutralität umzustellen.“

Der Koalitionsvertrag im vollen Wortlaut (PDF, 1,2 MB)

 

 

 


Foto: alexer56

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