Nur Blender unterwegs? Wenn Autoscheinwerfer gefühlt immer heller werden

Wer abends oder bei Regen über Land fährt, kennt das Gefühl: Entgegenkommende Autos blenden stärker als früher. Manche SUV und Transporter scheinen komplette Flutlichtanlagen vor sich her zu schieben. Täuscht der Eindruck oder werden Autoscheinwerfer tatsächlich immer heller? Die kurze Antwort: Ja. Die lange: Sie wirken oft heller – und zwar aus mehreren, ziemlich handfesten Gründen. Welche das sind, beleuchtet dieser Artikel.

Die Blendattacke auf der Straße hat mehrere Ursachen. Ein Teil ist Technik, ein Teil Wahrnehmung und ein weiterer nicht unwesentlicher Teil sind ganz alltägliche Dinge wie schlechte Einstellung oder schmutzige Scheinwerfer.

Heller ist nicht gleich besser: Von Halogen zu LED und Laser

Früher dominierten Halogenlampen die Scheinwerfertechnik im Fahrzeugbau. Ihr Licht war eher gelblich-warm, wenngleich nicht so gelb wie dereinst das Licht der Fahrzeuge unserer französischen Nachbarn. Seit einigen Jahren sind Xenon- und heute vor allem LED-Scheinwerfer verbreitet. Manche Premiumfahrzeuge nutzen zusätzlich Laserlicht, oft nur für Fernlicht bzw. für besonders große Reichweite. Die modernen Systeme liefern eine höhere Lichtausbeute, also mehr nutzbares Licht bei weniger Energie. Bei klassischen Glühlampen, die sehr heiß werden, geht deutlich mehr Energie in Form von Wärme verloren, was sie als Leuchtmittel weniger effizient macht und weshalb sie auch seit Jahren nach und nach aus dem Verkehr gezogen werden.

Bei den modernen Fahrzeugscheinwerfern lassen sich grob zwei Systeme unterscheiden: Linsensystem und Reflektorsystem. Letzteres ist eher konventionellen Scheinwerfersystemen nachempfunden. Doch beide können Räume wesentlich gezielter ausleuchten als ältere Scheinwerfersysteme. Gleichzeitig wirkt das von ihnen ausgestrahlte weißlich-bläuliche Licht kälter als das ihrer Vorfahren. 

Dieses bläulichere Licht, das von der Lichttemperatur hellem Tageslicht recht nahekommt, wird im Kontrast zur Dunkelheit von vielen Menschen als härter und blendend empfunden. Unser Auge reagiert im Dunkeln anders als am Tag: Kontraste, Reflexe und Streulicht spielen eine große Rolle. Ein weißer LED-Kegel kann sich deshalb aggressiver anfühlen als ein gelblicher Halogenscheinwerfer – obwohl beide regelkonform sind.

Die Lichtverteilung moderner Scheinwerfer ist präziser und manchmal gnadenlos.

Moderne Scheinwerfer sind nicht nur hell, sondern auch sehr exakt. Früher war das Abblendlicht oft relativ weich und die Hell-Dunkel-Grenze unscharf. Heute ist sie bei guten LED-Systemen messerscharf und der Lichtkegel wie mit einer Sense in die Dunkelheit geschnitten. Die eigene Fahrbahn wird besser ausgeleuchtet, ohne unnötig in den Himmel zu strahlen. Diese Präzision hat leider auch ihre Schattenseite. 

Schon kleine Unebenheiten, Kuppen, Bodenwellen oder ein Nickmoment beim Bremsen lassen den Lichtkegel kurz nach oben zucken. Dieses Zucken kann für den Gegenverkehr wie ein Blendimpuls wirken. Auf Landstraßen mit Fahrbahnunebenheiten oder auch im Stadtverkehr auf Kopfsteinpflaster begegnet einem dieses Blitzen daher besonders häufig.

Hinzu kommt: Viele Fahrzeuge haben heute Matrix- oder Pixellicht, das Teile des Fernlichts gezielt ausblendet, damit andere Verkehrsteilnehmer nicht geblendet werden. Arbeitet es perfekt, ist alles gut. Wenn nicht, kann es irritieren. Bei starkem Regen, Schneefall, Nebel, verschmutzten Kameras oder ungünstigen Reflektionen reagiert das System tendenziell verzögert. Es bleibt zwar alles im gesetzlichen Rahmen, aber die, die das Licht erfasst, können es subjektiv als zu hell empfinden.

Weshalb SUVs öfter als Blender gelten

Die Scheinwerfer sitzen inzwischen bei vielen Fahrzeugen höher. SUVs, Vans und Transporter sind im Trend. Auch der klassische Pkw ist im Schnitt größer geworden. Ein höher positionierter Scheinwerfer bedeutet nicht automatisch mehr Blendung. Doch er trifft die Augen von Entgegenkommenden in niedrigeren Fahrzeugen leichter direkt. Dies ist z.B. bei Sportcoupés oder auch Kleinwagen der Fall. Wenn die Straße ansteigt oder abfällt, zeigt sich dieser Effekt ebenso wie bei Begegnungen in einer Kurve.

Obwohl die Scheinwerfer beider Fahrzeuge korrekt eingestellt sein können, fühlt man sich geblendet. Die Fahrzeugproportionen und -dimensionen haben sich verändert, unsere Wahrnehmung hingegen nicht.

Die Hauptursache bleibt der Klassiker: die falsche Einstellung

So banal es klingt: Ein großer Teil der realen Blendprobleme hat nichts mit Hightech zu tun, sondern schlicht mit falscher Einstellung. Schon eine geringe Abweichung des Scheinwerferwinkels nach oben kann enorme Auswirkungen haben. Die Gründe dafür sind vielfältig:

  • Beladung: 
    Ist der Kofferraum voll, werden Fahrräder per Heckträger transportiert oder wird ein Anhänger geschleppt, verändert sich die Straßenlage. Das Fahrzeugheck geht in die Knie und die Fahrzeugfront samt Scheinwerfern und Lichtkegeln steigt nach oben.
  • Defekte oder fehlkalibrierte Leuchtweitenregulierung: 
    Moderne Autos haben meist automatische Leuchtweitenregelung. Ist sie falsch eingestellt oder hätte sie nach einer Reparatur am Fahrzeug neu kalibriert werden müssen, kann sie auf andere Verkehrsteilnehmer störend wirken.
  • Fahrwerksänderungen: 
    Tieferlegung, geänderte Fahrzeugfederung und Reifengrößen verändern die Fahrzeuglage und damit die Scheinwerfereinstellung. Auch hier wird mitunter vergessen, die Scheinwerferstellung entsprechend anzupassen.

Das Gemeine daran: Wer blendet, merkt es selbst oft nicht und wundert sich eher über die Lichthupe der Entgegenkommenden. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass Ihr Fahrzeug einen blendenden Eindruck hinterlässt, der für andere unangenehm und im Extremfall gefährlich sein kann. Ein Lichttest in der Werkstatt wäre in diesem Fall sehr zu empfehlen.

Schmutz, Streulicht und nasse Pisten: Wenn Physik die Sicht raubt.

Moderne Scheinwerfer sind sehr hell. Doch wenn die Abdeckung schmutzig ist oder die Scheibe feine Kratzer hat, wird Licht in alle Richtungen gestreut. Dazu kommen Wettereffekte:

  • Regen und nasse Fahrbahn spiegeln stark. Der Lichtkegel bricht sich auf der glänzenden Straße, Reflexe werden intensiver.
  • Nebelnässe oder leichter Dunst im Dunkeln lassen Licht wie einen undurchdringlichen Block im Raum stehen. Selbst vollkommen korrekt eingestellte Scheinwerfer können an diesem physikalischen Effekt nichts ändern.
  • Schnee wirkt wie ein Reflektor: Alles erscheint heller. Die Blendwirkung nimmt zu.

Auch der Zustand der eigenen Windschutzscheibe spielt ein Rolle: Innen beschlagene Scheiben, Fett- oder Nikotinfilm, Mikrorisse oder schlechte Scheibenwischer erhöhen die Lichtstreuung. Dann wird aus einem hellen Punkt ein ganzer Lichtkranz – und das stresst.

Blendempfindung liegt auch im Auge des Betrachters. 

Was früher nicht gestört hat, kann mit zunehmendem Alter so empfunden werden. Wer früher gerne nachts gefahren ist, verliert mit den Jahren womöglich seine Freude daran. Denn mit zunehmendem Alter verändern sich auch die Augen. Die Linsen verlieren an Klarheit, die Pupillen reagieren langsamer und die Anpassung von hell auf dunkel dauert länger. 

Bildschirmarbeit, intensive Smartphone- und Tabletnutzung dürften ebenfalls dazu beitragen, dass unsere Augen stark beansprucht sind und vielleicht sogar früher blendempfindlich reagieren. Ab dem 40. Lebensjahr etwa stellt sich diese größere Blendempfindlichkeit ein. Neben einer sauberen Windschutzscheibe sollten die Brillenträger unter den Autofahrern auch auf entspiegelte und gut abgestimmte Gläser achten. 

Blendempfindung verringern oder vorbeugen

Mit ein paar einfachen Verhaltensweisen lässt sich das unangenehme Blendempfinden verringern:

  • Nicht in die Lichtquelle starren. 
    Besser ist es, den Blick leicht nach rechts an den Fahrbahnrand bzw. auf die Leitlinie zu lenken, ohne die Spur zu verlassen.
  • Abstand vergrößern
    Wenn die Rücklichter des vorausfahrenden Fahrzeugs grell erscheinen, einfach den Abstand etwas vergrößern. Das kommt auch dem Sicherheitsabstand beim Bremsen zugute.
  • Windschutzscheibe auch von innen reinigen
    Während intakte Wischblätter auf der Außenseite der Windschutzscheibe für klare Verhältnisse sorgen, sollte auch die Innenseite von Zeit zu Zeit gereinigt werden. Denn ein sich absetzender Fett- oder Nikotinfilm schmückt jedes entgegenkommendes Scheinwerferlicht mit einem unnötigen Strahlenkranz.
  • Passende Brille tragen 
    Entspiegelte Brillengläser in der korrekten Stärke tragen ebenfalls zu einem blendungsärmeren Fahrerlebnis bei. Darüber hinaus bieten Optik-Fachgeschäfte auch speziell vergütete Brillengläser an, die besonders auf die Bedürfnisse von Autofahrern abgestimmt sind. Zudem ist die regelmäßige Kontrolle des Sehvermögens durch einen Augenarzt sehr zu empfehlen.

Damit andere nicht Sie als Blender empfinden

  • Scheinwerfer regelmäßig reinigen 
    Vor allem im Winter reicht schon eine dünne Salzschicht, um die Scheinwerfer für den Gegenverkehr in unangenehme Lichtschleudern zu verwandeln. Deshalb verfügen viele moderne Fahrzeuge über Scheinwerferreinigungsanlagen.
  • Leuchtweite prüfen lassen. 
    Viele Werkstätten und Prüfstellen können die Einstellung schnell kontrollieren.
  • Beladungszustand beachten
    Bei älteren Fahrzeugen kann die Leuchtweite manuell reguliert werden. Das Rädchen dazu befindet sich in Reichweite des Lenkrads in der Regel am Armaturenbrett.
  • Nach Änderungen am Fahrwerk oder der Räder- und Reifendimensionen oder nach Reparaturen am Frontbereich: Wurde das Fahrzeug umgebaut oder wurden umfangreiche Instandsetzungsarbeiten daran ausgeführt, sollte unbedingt auch die Scheinwerferposition fachgerecht überprüft und ggf. neu justiert werden.
  • Automatiksysteme nicht austricksen 
    Wer Zusatzscheinwerfer, LED-Nachrüstlampen in Halogen-Gehäusen einsetzt oder generell auf Marke Eigenbau schwört: Wenn der TÜV seinen Segen nicht dazu gegeben hat, können solche Systeme illegal sein, massiv blenden und im Ernstfall Haftungsfragen nach sich ziehen.

Der Mix macht‘s.

Autoscheinwerfer sind nicht einfach nur heller geworden. Sie sind vor allem anders: weißer, präziser, höher positioniert und oft technisch komplexer. Dazu kommen Straßenbedingungen, Verschmutzung, falsche Einstellung und eine ganz menschliche Komponente: Das Blendempfinden nimmt mit der Zeit zu.

Glücklicherweise ist ein großer Teil des Blendempfindens vermeidbar und eine Frage der Sorgfalt. Damit moderne Lichttechnik unsere Sicherheit sichtbar verbessert, muss nicht nur sie, sondern müssen auch wir richtig eingestellt sein.

 

Bild: lukszczepanski