Nachhaltige Mobilität: Im Solarflugzeug einmal um die Welt

BAVC-Interview mit den Piloten André Borschberg und Bertrand Piccard
Bertrand Piccard und André Borschberg.
Bertrand Piccard und André Borschberg. (Foto: Solar Impulse | Ackermann | Rezo.ch)
Am 14. April meldete sich das Solar-Impulse-Team auf Hawaii startklar für Teil 2 der Weltrumrundung. Im Juli 2015 musste die rekordträchtige Solarflug-Mission, die für das Potenzial der Erneuerbaren Energien und Sauberen Technologien wirbt, unterbrochen werden. Auf der mit fünf Tagen und Nächten bisher längsten Solarflugetappe von Japan nach Hawaii waren technische Probleme aufgetreten. Neun Monate Zwangspause waren die Folge. Der BAVC Automobilclub hatte Gelegenheit, die beiden Piloten, André Borschberg und Bertrand Piccard, während ihrer Vorbereitungen auf Hawaii zu interviewen. Wie bereits beim ersten Teil der Weltumrundung werden sie die Solar Impulse abwechselnd allein fliegen.


BAVC: Herr Borschberg: Was an der mit fünf Tagen und fünf Nächten bisher längsten Solarflugetappe von Nagoya nach Hawaii hat Sie besonders überrascht?

André Borschberg: Der Moment, als ich den Punkt erreicht habe, ab dem es kein Zurück mehr gab, war für mich als Pilot und für das Team am Boden schwierig. Vor allem deshalb, weil ich das Gefühl hatte, dass das Team sich spaltet und das war eine besonders intensive Erfahrung für mich. Einige der Ingenieure drohten sogar damit, zu kündigen. Die Lage war also sehr ernst. Dazu kamen dann noch die anderen Gefühle, mit denen ich klarkommen musste. Denn ich wusste ja, dass meine Familie den ganzen Flug hautnah verfolgte, und ich fragte mich, ob ich das Recht hatte, sie einem solchen emotionalen Druck auszusetzen. Obwohl es alles in allem eine komplexe technische und körperliche Herausforderung war, gespickt mit Überraschungen, wie zum Beispiel der Kursänderung Richtung Nagoya, so war die Pazifik-Überquerung für mich persönlich vor allem ein Traum, der in Erfüllung gegangen ist. Was mich am meisten überrascht hat und was ich nie vergessen werde, geschah am dritten Tag der Reise. Der Sonnenaufgang war wunderschön, und ich spürte, wie die Solar Impulse, von den Strahlen der Sonne getragen, nur dank der sauberen Energie flog. Dieser Moment hat mich so tief bewegt, dass ich weinen musste.

Solar Impulse ist im Begriff, das endlose Fliegen zu ermöglichen.
Solar Impulse ist im Begriff, das endlose Fliegen zu ermöglichen. (Foto: Solar Impulse | Revillard | Rezo.ch)


BAVC: Wo lagen Sie mit Ihrer Einschätzung richtig? Was hätten Sie anders erwartet?

André Borschberg: Wir wussten weder, ob die Leistung unseres Flugzeuges ausreichen würde, noch, ob wir den Flug planen konnten, ohne dass uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung machen würde. Und wir konnten auch nicht abschätzen, ob der Pilot durchhalten würde. Ihn fünf bis sechs Tage auf optimalem Leistungsniveau zu halten, war eine echte Herausforderung. Dazu kommt noch, dass die Solar Impulse hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit ein äußerst anspruchsvolles Flugzeug ist. Das erklärt auch die gelegentlichen Pannen. Denn mit der Komplexität steigt auch das Risiko für Ausfälle. In meinem Fall war es der virtuelle Pilot. Die Basis-Technologie hingegen – Solarzellen, Elektromotoren und Batterie – diese drei Hauptkomponenten haben äußerst zuverlässig funktioniert.

Jeder Handgriff sitzt: Das Cockpit der Solar Impulse 2.
Jeder Handgriff sitzt: Das Cockpit der Solar Impulse 2. (Foto: Solar Impulse | Ackermann | Rezo.ch)


BAVC: Von welchen Erfahrungen aus dem ersten Teil der Weltumrundung können Sie beim zweiten Teil profitieren?

Bertrand Piccard: Die wichtigste Lektion ist, nicht auf die Menschen zu hören, die sagen, dass etwas unmöglich ist. Stattdessen sollte man diese Skepsis als Ansporn nehmen ihnen das Gegenteil zu beweisen. Wenn andere skeptisch sind, heißt das nicht, dass es unmöglich ist. Es bedeutet lediglich, dass wir neue und auch unbequeme Wege gehen müssen, um richtige Antworten, neue Strategien und kreative Lösungen zu finden. Solar Impulse tut dies seit 12 Jahren, und jeder Tag ist eine Herausforderung, aber auch unglaublich interessant. Ich bin stolz, Teil dieses Teams zu sein.

André Borschberg: Ich werde häufig gefragt, wie es mir gelungen ist, fünf Tage und Nächte am Stück zu fliegen, ohne vom Schlaf übermannt zu werden. Ich war so begierig darauf, diese Erfahrung zu machen, dass ich fürchtete, die 5 Tage und Nächte würden zu kurz sein, um sie intensiv auszuloten. Und so war es dann auch. Als ich gegen 22 Uhr Hawaii erreichte, beschloss ich, erst um 6 Uhr am nächsten Morgen zu landen. So konnte ich noch die verbleibenden Stunden an Bord genießen. Befreit von der Notwendigkeit anderer Flugzeuge, die landen müssen, wenn der Sprit ausgeht und stattdessen mit Sonnenenergie zu fliegen, befreit auch vollständig von zeitlichen Zwängen. Ich kann vollständig im Hier und Jetzt sein und alles wahrnehmen, was um mich herum im Cockpit geschieht.


BAVC: Was waren die größten Herausforderungen des ersten Teils der Weltumrundung? Welche bestimmen den zweiten Teil Ihrer Reise?

André Borschberg: Solar Impulse ist im Begriff, das endlose Fliegen zu ermöglichen. Eine der wesentlichen Herausforderungen dabei ist der menschliche Faktor, sozusagen die Fitness des Piloten. Das gilt auch für den zweiten Teil der Reise. Solange sich das Flugzeug über bewohntem Gebiet befindet, ist es dem Piloten verboten zu schlafen. Über dem Meer und über unbewohntem Gebiet hingegen sind bis zu 12 kurze Schlafpausen von maximal 20 Minuten möglich und auch eingeplant. Darüber hinaus nutzen wir Entspannungstechniken für den Körper im Wachzustand. Bertrand nutzt Techniken der Selbsthypnose, ich Yoga.

Bertrand Piccard: In Vorbereitung auf das erste transatlantische Ballon Wettrennen im Jahr 1992, bei dem ich fünf Tage und fünf Nächte in einer winzigen Kapsel über dem Atlantik zubrachte, habe ich Hypnose- und Selbsthypnosetechniken trainiert. Diese Techniken nutze ich auch bei den jetzigen Flügen. Der Körper regeneriert sich mittels Tiefenentspannung, während das Gehirn wach bleibt, um die Instrumente zu lesen und das Fluggeschehen zu verfolgen.

Zwischenstopp auf dem Chongqing Jiangbei International Airport in China.
Zwischenstopp auf dem Chongqing Jiangbei International Airport in China. (Foto: Solar Impulse | Revillard | Rezo.ch)


BAVC: Gab es einen Punkt, an dem Sie ans Aufgeben dachten?

André Borschberg: Solar Impulse ist nicht nur eine revolutionäre Technologie. Es ist eine Kombination verschiedenster Lösungen, die Summe aller Leistungen unserer Ingenieure, Spezialisten und Partner, die uns befähigt, das Unmögliche zu erreichen. Aber glauben Sie nicht, dass das einfach ist. Sie müssen auf viele Rückschläge gefasst sein. Aber solange Sie nicht vergessen, dass Hindernisse und Probleme auch Chancen sein können, haben Sie weniger Angst, sich in unbekanntes Terrain vorzuwagen.


BAVC: Welcher Teil Ihrer Vorbereitungen – abgesehen von den Technischen – nimmt den wichtigsten Stellenwert ein im Hinblick auf Ihr Vorhaben?

Bertrand Piccard: Die Vorbereitungen für Solar Impulse bestehen aus zwei Teilen: Zunächst ist da die Vorbereitung des Fluges, die vor allem bei Langstreckenflügen darauf abzielt, sich selbst bildlich in einen Zustand von Komfort und Sicherheit zu versetzen. Hierfür werden verschiedene Szenarien mit unterschiedlichen technischen, medizinischen und wetterbedingten Problemstellungen durchgespielt. Das lässt sich, neben vielem anderen, bereits im Vorfeld und am Boden erledigen. Erfahrungsgemäß erzeugen diese widrigen Umstände einen Fluchtreflex – und den gilt es zu verändern. Mithilfe von Hypnose soll er in einen Kampfreflex umgewandelt werden. Damit meine ich einen Zustand der Selbstwahrnehmung, bei der ich im Vollbesitz meiner Kräfte bin. Zum zweiten verwende ich Hypnose, um die Ruhephase während des Fluges zu intensivieren. Dabei geht es darum, sich eine Situation vorzustellen, in der ich wach und konzentriert ein Flugzeug fliege und im nächsten Moment 20 Minuten schlafen kann. Ich nutze die Hypnose, um mich von einem Augenblick auf den anderen von Stress und Konzentration zu lösen und dadurch die Momente der Ruhe und Entspannung maximal auszunutzen.

Konzentriertes Arbeiten im Mission-Control-Center in Monaco.
Konzentriertes Arbeiten im Mission-Control-Center in Monaco. (Foto: Solar Impulse | Ch. Béesau)


BAVC: Was erhoffen Sie sich vom Erfolg Ihrer Mission?

Bertrand Piccard: Zunächst einmal planen wir, den zweiten Teil der Weltumrundung erfolgreich zu Ende zu führen. Aber mit der Landung in Abu Dhabi (von wo aus die Weltumrundung startete, Anm. d. Red.) ist das Abenteuer noch nicht zu Ende. Solar Impulse ist mit der Vision gestartet, ein Flugzeug zu bauen, das Tag und Nacht ohne Treibstoff fliegen kann, einzig angetrieben durch die Kraft der Sonne. Ziel des Projektes war es, insbesondere für das Feld der Erneuerbaren Energien und Sauberen Technologien ein Symbol des Pioniergeists und der Innovationskraft zu entwickeln. Jeder, der die Weltumrundung der Solar Impulse verfolgt hat, einschließlich unserer Förderer und Partner, kann diese Botschaft weitertragen und als Teil der Future-is-Clean-Initiative (www.futureisclean.org) konkrete Maßnahmen für eine saubere Zukunft fordern.


BAVC: Welche Impulse liefert Solar Impulse dem zivilen Luftverkehr?

André Borschberg: Es geht uns nicht in erster Linie darum, die Luftfahrt zu revolutionieren, sondern die Haltung der Menschen zu Energie und Sauberen Technologien zu verändern. Ineffiziente Energieträger sind eine der Hauptursachen für Klimawandel und CO2-Emissionen. Würden veraltete Technologien durch solche ersetzt, die bereits heute verfügbar sind und z.B. auch im Solar Impulse-Flugzeug genutzt werden, könnte der weltweite Energieverbrauch halbiert werden.

Bertrand Piccard: Die Luftfahrtindustrie ist sich der Notwendigkeit des Wandels durchaus bewusst. Jedoch kann das Umschalten auf Null-Treibstoffverbrauch nicht so radikal erfolgen wie bei Solar Impulse. Zwischenschritte sind notwendig wie z.B. die Verwendung leichterer Materialien, direktere Routen oder längere Sinkflugphasen beim Landeanflug. Die Luftfahrt wird vermutlich das letzte Verkehrsmittel sein, das auf fossilen Treibstoff verzichten kann.


BAVC: Wie werden wir in fünfzig Jahren fliegen?

Bertrand Piccard: Gegenwärtig haben wir noch nicht die Technologie, um 200 Passagiere in einem Solar-Flugzeug zu transportieren. Aber auch die Wright-Brüder konnten mit ihren Fluggeräten noch keine Passagiere befördern. Als Charles Lindbergh im Alleinflug den Atlantik überquerte, dachte noch niemand daran, dass es irgendwann Flugzeuge mit Platz für 200 Menschen an Bord geben würde. Zuerst braucht es Pioniere wie uns, die zeigen, was möglich ist. Wenn Solar Impulse erfolgreich ist, dann wird die Industrie unserem Beispiel folgen und die Technologie, die wir für Solar Impulse entwickelt haben, optimieren und erweitern. Doch bevor diese Technologie in Flugzeugen zum Einsatz kommt, sollte sie zunächst am Boden Verwendung finden. Denn es gibt etliche Anwendungsgebiete die diese Technologie nutzen könnten, wie die Wärmedämmung von Häusern, Elektromobilität und intelligente Stromnetze. Dabei darf man nicht vergessen: Lediglich 3 % aller Emissionen gehen auf das Konto des Luftverkehrs. Der Rest, nämlich 97 %, entstehen am Boden.


BAVC: Verraten Sie uns, was Ihr nächstes Projekt sein wird?

André Borschberg: Mit unserem Wissen und unseren Erfahrungen könnten wir die Entwicklung von Solar-Dronen oder von so genannten Pseudo-Satelliten für große Höhen (HAPS - high altitude pseudo satellites) anführen. Diese können monatelang in großer Höhe fliegen und die Arbeit von Satelliten ergänzen. Ein Teil des Solar-Impulse-Teams arbeitet bereits an einer konzeptionellen Studie zu Solar-Dronen, mit dem Ziel, ein unbemanntes Fluggerät mit einer ähnlichen Technologie wie die Solar Impulse zu entwickeln, das für Kommunikation, Messungen und Beobachtungen eingesetzt werden kann. Es wird in 20 km Höhe in der Stratosphäre fliegen können, wo es entweder geostationär für längere Zeiträume positioniert wird oder verschiedene Standorte ansteuern kann.


BAVC: Vielen Dank für das Gespräch und seien Sie sicher unterwegs!

Alle Informationen zur Solar-Impulse-Mission: www.solarimpulse.com