Tachomanipulation: Was Gebrauchtwagenkäufer wissen sollten

Wer sich mit dem Gedanken trägt, einen Gebrauchten zu kaufen, kann sich freuen. Denn die Bestände haben im Vergleich zu 2016 zugenommen. Aber nicht alle teilen diese Freude. Die Gründe dafür sind nachvollziehbar.

Jürgen Karpinski, Präsident des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe e.V. (ZDK), sieht im Umsatzrückgang eine Folge des Dieselskandals. „Die Autokäufer sind zutiefst verunsichert, drohende Fahrverbote in den Ballungsgebieten machen gebrauchte Diesel fast unverkäuflich", sagte er auf der Jahrespressekonferenz des Kfz-Gewerbes in Berlin. So sank der Umsatz im Gebraucht-Pkw-Geschäft um 1,9 Prozent auf 66,3 Milliarden Euro (Vorjahr 67,6 Milliarden Euro).

Gebrauchte Diesel wenig gefragt

Laut einer Blitzumfrage des ZDK, an der sich knapp 1.600 Kfz-Händler beteiligten, ist vor allem der Anteil der Diesel-Pkw am Gebrauchtwagenbestand seit August 2017 weiter gestiegen. Zu diesem Zeitpunkt standen bei den Händlern bereits rund 300 000 gebrauchte Euro-5-Diesel auf Halde. Entsprechend hofft der Verband, dass die Politik auch für die Nachrüstung älterer Dieselfahrzeuge die Weichen stellt. Seit das Leipziger Bundesverwaltungsgericht am 27. Februar 2018 entschieden hat, dass Diesel-Fahrverbote in Städten nach geltendem Recht grundsätzlich zulässig sind, ist die Sache noch dringlicher.

Stehende Autos kosten Geld

28 € pro Auto und Tag. So viel kostet laut ZDK den Händler das Herumstehen seiner unverkauften Gebrauchten. Mehrere Tausend Euro Wertverlust je Fahrzeug nicht mitgerechnet. Ein gebrauchter Benziner stehe im Schnitt 80 Tage beim Händler, bevor er mit neuem Besitzer vom Hof rolle. Beim Diesel hingegen dauere es inzwischen bereits 100 Tage, bis er wieder verkauft sei. Fakten, die man ruhig im Hinterkopf haben darf, wenn man beim Händler zu kaufen gedenkt. Aber es gibt auch noch ein paar andere Dinge, die man im Blick haben sollte.

Risiko Tachobetrug

Die Höhe der angezeigten Gesamtkilometerzahl zu schönen, ist zwar strafbar, aber technisch mittlerweile relativ einfach und schwer nachzuweisen. Geschickte Betrüger können auf diese Weise mehrere Tausend Euro Gewinn machen, wenn sie das Alter des Fahrzeugs auf diese Weise verjüngen. Doch durch Tachomanipulation entsteht nicht nur ein wirtschaftlicher Schaden, der sich laut Europäischem Verbraucherzentrum Deutschland(EVZ) hierzulande jährlich auf 6 Mrd. Euro beläuft.Tachomanipulationen stellen auch ein Sicherheitsrisiko dar.

Wenn Wartungsintervalle infolge der falschen Kilometeranzeige nicht wie vorgesehen wahrgenommen werden, gefährdet das die Zuverlässigkeit verschleißanfälliger Fahrzeugteile und damit auch die Fahrsicherheit insgesamt. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass bei einem massiven Eingriff in die Fahrzeugelektronik auch sicherheitsrelevante Daten verändert oder gelöscht werden.

So wirbt das EVZ in Deutschland dafür, die europaweite Initiative für einen Car-Pass nach belgischem Vorbild zu unterstützen. Dort ist der Car-Pass Pflichbestandteil eines Gebrauchtwagenverkaufs. Ähnlich fälschungssicher wie ein Personalausweis wird der Car-Pass von einer zentralen Behörde ausgegeben, ist zwei Monate gültig und nennt den aktuellen Kilometerstand des Fahrzeugs. Hierzu erfasst die Behörde für jedes Auto kontinuierlich die Kilometerstände, die ihr u.a. von Autofachhändlern, Werkstätten, Reifenhändlern, technischen Kontrollstellen oder Pannenhelfern zur Verfügung gestellt werden. Auf diese Weise entsteht für jedes Fahrzeug eine Historie zur aktuellen Laufleistung.

Häufigkeit unklar

Im Netz kursiert die Aussage, dass bei rund einem Drittel aller Gebrauchtwagenangebote Tachomanipulationen im Spiel seien. Auch die Polizei geht von dieser Zahl aus und stützt sich dabei auf Erkenntnisse der Münchner Polizei. Dort hatte die „Ermittlungsgruppe Tacho“ in den Jahren 2011 bis 2013 zahlreiche Razzien und technische Überprüfungen durchgeführt. Die EVZ greift diese Zahl ebenfalls auf.

Ob es legitim ist, dieses Ergebnis einfach auf Bundesrepublik insgesamt zu übertragen, fragt sich die Zeitschrift Finanztest, die dem Thema einen Beitrag in ihrer Ausgabe 2-2018 widmet. Dass die „Ermittlungsgruppe Tacho“ 2013 ersatzlos aufgelöst wurde, ist angesichts dieser hohen Schätzung ebenfalls verwunderlich.

Wie die Branche mit dem Vorwurf umgeht

Der Bundesverband freier Kfz-Händler (BVfK) sah sich genötigt, in der Frage Stellung zu beziehen. In seiner Presseerklärung vom 19. Januar 2018 wirbt er für eine Versachlichung der Diskussion und sieht auf Grundlage eigener Erhebungen die Manipulationsquote heute unterhalb von 5 Prozent. Entsprechend skeptisch steht der Verband Initiativen wie Car-Pass gegenüber und sieht darin eher die Gefahr eines weiteren Bürokratiemonsters.

Für den Tachobetrug mitverantwortlich macht der BVfK die Hersteller, den Gesetzgeber und die Ermittlungsbehörden. Die Autohersteller, weil sie sich seit Jahrzehnten der Forderung nach manipulationsgeschützten Tachos verweigert hätten. Den Gesetzgeber, weil das Gesetz gegen Tachomanipulation Lücken aufweise und „gewerblichen Tachodrehern immer noch Schlupflöcher“ biete. Die Ermittlungsbehörden, weil sie „gegen die im Internet offen anbietenden ‚Justierer‘ kaum aktiv“ seien. Und zuletzt auch den Datenschutz, der die Aufklärung behindere, weil die Fahrzeughistorie durch Änderung der Fahrzeugpapiere intransparent geworden sei. (Waren im Fahrzeugbrief früher bis zu sechs Vorbesitzer verzeichnet, bietet die seit 2005 vorgeschriebene Zulassungsbescheinigung aus Datenschutzgründen nur noch Platz für zwei Eintragungen.)

Auf Alarmsignale achten

Wie viele Tachos tatsächlich manipuliert werden, weiß also niemand so genau. Doch auch ohne Car-Pass dürften die Tage des Tachobetrugs gezählt sein. Seit 1. Januar 2018 ist das automatische Notrufsystem eCall für neu zugelassene Fahrzeuge Pflicht. Da dieses System wichtige Fahrzeugdaten kontinuierlich aufzeichnet und extern speichert, wird diese Form der Manipulation kaum zu vertuschen sein. Wer bis dahin Betrügern nicht auf den Leim gehen will, sollte beim Gebrauchtwagenkauf ein paar Dinge beachten:

  • Angebotseindruck:
    Ist das Angebot extrem günstig, ist Skepsis angebracht. Auch sollte der Anbieter glaubwürdig begründen können, weshalb er sich nach so kurzer Zeit wieder von seinem Wagen trennen möchte.
  • Service-Checkheft:
    Fehlt das Heft, das alle Wartungs- und Servicearbeiten dokumentieren sollte, ist es lückenhaft oder wirkt es nachträglich bearbeitet (Verdachtsmoment: einheitliches Schrift- und/oder Stempelbild), dann besser die Finger davon lassen. Fragen Sie ruhig auch nach zusätzlichen Prüfberichten, Werkstattrechnungen und den Zetteln der vorangegangenen Ölwechsel. Der aktuelle sollte im Motorraum hängen und den Km-Stand beim letzten Ölwechsel ausweisen. Ist dieser höher als der aktuelle Tachostand, ist der Betrug offensichtlich.
  • Zusätzliche Informationsquellen nutzen:
    Insbesondere bei Privatverkäufen kann es hilfreich sein, in der Vertragswerkstatt die dort dokumentierten Kilometerstände zu erfragen, sofern der Wagen dort einmal zur Wartung/Reparatur abgegeben wurde. Allerdings sind die Hersteller nicht zur Auskunft verpflichtet.
  • Fahrzeugeindruck:
    Vergleichsweise geringe Kilometerzahl, aber verschlissene Sitze, abgelatschte Pedale und stark beanspruchte Bedienelemente? Das sollte die Alarmglocken schrillen lassen und Fragen aufwerfen. Selbst wenn innen alles gut riecht und tipptopp anmutet: Stumpfe Scheiben, stark verkratzte Scheinwerfer oder eine auffallend weiche Schaltung sollten misstrauisch machen.
  • Was auf jeden Fall in den Vertrag gehört:
    Bestehen Sie als Käufer darauf, dass der Verkäufer den Kilometerstand verbindlich im Vertrag festschreibt. Skepsis sollte aufkommen, wenn der Verkäufer auf Formulierungen wie „soweit bekannt“, „laut Vorbesitzer“ und „wie abgelesen“ beharrt. Enthält der Vertrag den Passus: „Der Tachostand entspricht der tatsächlichen Laufleistung des gesamten Fahrzeugs“, sind Sie besser gewappnet, falls Sie nachträglich feststellen, dass die Laufleistung des Wagens doch manipuliert wurde. Sollte dies der Fall sein, können Sie den Wagen unter Umständen zurückgeben oder einen Preisnachlass erwirken. Vorausgesetzt, der Kilometerstand ist verbindlich im Vertrag vermerkt.
  • Zeugen dabei haben:
    Rechtlich genauso verbindlich ist übrigens, wenn der Verkäufer vor Zeugen die Echtheit des abgelesenen Km-Stands erklärt. Überdies ist in solchen Fällen dann auch die Vertragsklausel „Gekauft wie gesehen unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung“ nicht wirksam. Geht es um solche vom Verkäufer zugesicherten Merkmale wie z. B. auch Baujahr und die Anzahl der Vorbesitzer, greift sie nicht.

Und im Falle einer nachträglich entdeckten Täuschung: schnell sein!

Stellt sich heraus, dass der Verkäufer falsche Zusagen gemacht hat, sollten Sie sich rasch bei ihm melden und den Mangel reklamieren. Innerhalb der ersten sechs Monate ab Kaufdatum haben Sie als Käufer das Gewährleistungsrecht auf Ihrer Seite. Denn es wird davon ausgegangen, dass der Mangel bereits beim Kauf vorhanden war. Das bedeutet für Sie: Sie haben das Recht, den Wagen zurückzugeben.

Nach sechs Monaten ist die rechtliche Situation für Käufer weitaus ungünstiger: Zwar gilt bei arglistiger Täuschung eine dreijährige Verjährungsfrist. Doch einen Betrug nachzuweisen, ist ein nahezu aussichtsloses Unterfangen. Gibt es mehrere Vorbesitzer, könnte jeder von ihnen der Täter sein.

 

 

 


Foto: Jamrooferpix

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