Angst am Steuer

Ist es ein Männerthema oder mehr ein Frauenthema? Schwer zu sagen. Fachleute vermuten, dass tendenziell mehr Frauen als Männer von Amaxophobie – so der Fachbegriff – betroffen sind. Angst, die plötzlich und aus heiterem Himmel da ist und bleibt. Bei jeder Fahrt. Manchmal tritt sie auch als Folge eines Unfallerlebnisses auf, das Menschen noch lange verfolgt, selbst wenn der Schaden nur eine Bagatelle war. Wie mit dieser Angst und ihren Begleiterscheinungen umgehen? Hier ein paar Anregungen.

Problem: Gesellschaftliche Ächtung

Herzflattern, Schwindel, Schweißausbrüche – Angststörungen werden heutzutage noch immer weitgehend tabuisiert – vor allem wenn sie für Nichtbetroffene vergleichsweise harmlos und schwer nachvollziehbar sind. Jemand, der behauptet, er habe Flugangst, kann mit mehr Verständnis rechnen als jemand, der eingesteht, er habe Angst, sich ins Auto zu setzen. Dabei ist das Verständnis für den Betroffenen gerade der Schlüssel dazu, dieser Angst beizukommen.

Fahrangst – Tendenz steigend

Schätzungen zufolge leiden ca. eine Million Menschen in Deutschland an Fahrangst. Ein Straßenverkehr, der immer dichter wird und dessen Teilnehmer immer aggressiver agieren, scheint der ideale Nährboden dafür, dass es noch mehr werden. Aber das sind nicht die alleinigen Ursachen.

Zwei Arten von Betroffenen

Für langjährige Experten wie die Kölner Verkehrspsychologin Alexandra Bärike lassen sich die Betroffenen in zwei Gruppen unterteilen. Einmal ist da der ganz normale Autofahrer mit viel Fahrpraxis. Er ist es gewohnt, sehr schnell zu fahren und hat entsprechend viel Adrenalin im Blut. Kommen weitere Belastungsfaktoren wie Stress im Beruf oder Probleme zuhause hinzu, kann der Körper überreagieren und Angstsymptome produzieren.

Die andere Gruppe mutet wie das komplette Gegenteil dazu an: Autofahrer, die spät den Führerschein gemacht haben und selten fahren. Prägend sind dabei noch ungeduldige wie auch übervorsichtige Beifahrer. Beide Arten von Begleitern können dazu beitragen, dass Autofahren mehr mit Furcht und weniger mit Freude verbunden ist.

Vielleicht werden die Weichen dazu bereits in der Fahrschule gestellt. Ob Angst eine Rolle bei den auffällig steigenden Durchfallquoten in der praktischen Fahrprüfung spielt, ist zumindest Gegenstand verkehrspsychologischer Untersuchungen.

Ebenso können im Unterbewusstsein verankerte Motive wie die Angst vor Kontrollverlust, laut dem holländischen Psychologen Harald Merckelbach ein Auslöser von Angststörungen sein.

Weg aus der Misere

Wer auf das Autofahren nicht angewiesen ist, könnte dem Problem sprichwörtlich aus dem Weg gehen. Doch dieser Umgang mit Angststörungen ist nicht ernsthaft zu empfehlen. Statt Situationsvermeidung zu betreiben, sollten sich Betroffene mit Hilfe von Fachleuten ihrer Angst stellen.

Inzwischen bieten immer mehr Fahrschulen entsprechende Fahrtrainings für Fahrphobiker an und arbeiten dabei mit Psychologen zusammen: Sich langsam an die Situation herantasten, ohne Druck das Vertrauen in die eigene Fahrfähigkeit wieder herstellen und die Souveränität zurückgewinnen.

Erste Hilfe gegen kleine Ängste und Unsicherheiten

Es muss ja nicht immer eine ausgewachsene Phobie sein, die es zu therapieren gilt. Auch kleinere Ängste oder rein situationsbedingte Unsicherheiten können belastend sein. Und bereits geringe Veränderungen können helfen, sie zu überwinden.

Sehvermögen bei Dunkelheit

Wer gerne Auto fährt, sich vor allem aber bei Dunkelheit unsicher fühlt, sollte sich auf Nachtblindheit hin untersuchen lassen. Auch speziell abgestimmte Brillengläser, die das Blenden des Gegenverkehrs erträglicher machen und schnelle Hell-Dunkel Wechsel mildern, können einiges bewirken.

Sitzposition

Verblüffend ist, welchen Einfluss die Sitzposition auf das Fahrgefühl haben kann. Wer zu nah am Lenkrad sitzt und mit den Füßen seiner stark angewinkelten Beine nach den Pedalen tastet, fühlt sich latent hilflos und unsicher. Mit einer aufrechten Sitzposition, aus der sich mit leicht angewinkelten Armen das Lenkrad erreichen lässt und die Füße bequem an die Pedale gelangen, ist viel gewonnen. Und mit der richtigen Sitzhöhe stimmt dann auch die Sicht nach außen.

Tipp: Je nach Fahrzeugausstattung lässt sich die Sitzhöhe auch speichern und per Knopfdruck automatisch einstellen. Das ist besonders dann praktisch, wenn das Auto von verschiedenen Personen gefahren wird.

Fahrzeugausstattung

Die Fahrzeugausstattung kann ohnehin einiges bewirken. Wer Assistenzsysteme wie Parksensoren oder Abstandswarner an Bord hat und das Schalten der Automatik überlässt, fährt tendenziell entspannter. Wer sich deshalb nicht gleich ein neues Auto zulegen möchte, könnte zumindest über die Anschaffung eines größeren Rückspiegels nachdenken.

Entspannungsübungen

Auch lautes Reden hinterm Lenkrad hilft gegen Beklemmungen. Es beruhigt die Atmung und sorgt für einen klaren Verstand. Frische Luft und Muskelentspannungsübungen wirken entkrampfend. Auf langen Fahrten regelmäßige Pausen nicht vergessen.

Ob tatsächlich mehr Frauen als Männer unter Fahrphobie leiden, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Vielleicht sind Frauen einfach nur eher bereit, darüber zu reden und sich helfen zu lassen. Und damit den entscheidenden ersten Schritt zu tun.

Informationsquellen und Anlaufstellen für Angebote gegen Fahrangst finden Sie u.a. hier:

Bund niedergelassener Verkehrspsychologen: www.bnv.de

Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e.V.: www.fahrlehrerverbaende.de

Alexandra Bärike (Dipl.-Psychologin und Fahrlehrerin): www.angstfrei-autofahren.de

Frank Müller (Fahrlehrer und Dipl.-Soziologe): auto-angst.de

 

 

 


Foto: nicoletaionescu

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