Rettungsgasse auf Knopfdruck

Wenn es den Rettungskräften gelänge, nur vier Minuten früher am Unfallort zu sein, würde das die Überlebenschance der Unfallopfer um bis zu 40 Prozent erhöhen. Kein Problem? Offensichtlich doch. Wie gut, bzw. wie schlecht das mit der Rettungsgasse auch in vergleichsweise einfachen Verkehrssituationen funktioniert, weiß jeder, der schon mal auf der Autobahn im Stau stand. Und was auf der Autobahn schon nicht klappt, klappt im innerstädtischen Kreuzungsverkehr noch schlechter. Ist für die Rettungsfahrzeuge kein Durchkommen, kostet das nicht nur Zeit, sondern mitunter auch Menschenleben. Ein vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gefördertes Projekt geht deshalb nun neue Wege.

AORTA steht für Automatisierte Bildung von Rettungsgassen in komplexen Szenarien durch intelligente Vernetzung. Was sehr abstrakt klingt, soll ein sehr konkretes Problem lösen. Eines, das Autofahrer allein offenbar nicht lösen können. Weil ihnen der Überblick über die gesamte Verkehrssituation fehlt. Weil sie abgelenkt sind oder weil sie schlicht und einfach falsch reagieren. Den Schlüssel dazu soll ein technisches Konzept liefern, das Möglichkeiten der Automatisierung, der Vernetzung von Fahrzeugen und Infrastruktur und auch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz nutzt.

Die grundlegenden Elemente des Systems

Herzstück der AORTA-Plattform ist eine hierarchisch gegliederte Struktur für das Makro- und Mikromanagement. Diese beiden Ebenen interagieren mit einem Netzwerk aus einer Vielzahl an Sensoren und Verkehrsteilnehmern. Hierzu zählen z.B. intelligente Verkehrsampeln, Sensoren zur Messung des Verkehrsaufkommens und Fahrzeuge mit (teil-)autonomer Fahrfähigkeit.

Makromanagement:

Einsatzroute optimieren, Verkehr beeinflussen und Verkehrsteilnehmer vorwarnen

Das Makromanagement der Plattform soll auf Daten zum Verkehr entlang der Strecke zum Einsatzort zugreifen können. Es soll sich mit dem betreffenden Verkehrs- und Notfallmanagement verbinden können sowie mit allen in das Netzwerk eingebundenen Fahrzeugen. Es hat die Aufgabe, die Route zum Einsatzort zu optimieren, die Ampelschaltungen an den zu passierenden Kreuzungen anzupassen und alle vernetzten Fahrzeuge, die sich entlang oder im Umfeld der Einsatzstrecke befinden, vorab zu warnen. Die Anbindung an ein Ampelsystem wird im Verlauf des Projekts in Kaiserslautern erprobt.

Bereits dieses Ampelmanagement, in Verbindung mit der vernetzten Vorwarnung, kann dazu beitragen, das Unfallrisiko mit dem Querverkehr entlang der Strecke deutlich zu reduzieren. Ergänzend dazu helfen Routingalgorithmen, Verkehrsinformationen in Echtzeit sowie Daten aus vergangenen Einsätzen, die Route für die Einsatzfahrzeuge noch während der Fahrt kontinuierlich zu optimieren. Wie ein Co-Pilot versorgt das System die Fahrer der Einsatzfahrzeuge mit verkehrsabhängigen Empfehlungen zur Fahrgeschwindigkeit, Spurnutzung und Spurwechsel, damit sie schnell und sicher ans Ziel gelangen.

Mikromanagement:

Fahrzeuge entlang der Route zum Bilden der Rettungsgasse anleiten

Das Mikromanagement wird dafür zuständig sein, den Verkehr zu beeinflussen. Doch hier ist der Zugang auf der Ebene der Fahrzeuge entlang der Einsatzstrecke. Per Fahranweisung oder -empfehlung sollen sie dazu gebracht werden, rechtzeitig eine Rettungsgasse zu bilden. Hierbei werden vor allem automatisierte Fahrzeuge eine Rolle spielen. Sie sollen in die Lage versetzt werden, anhand ihrer eigenen Fahrsensoren und des Datenaustauschs mit anderen Fahrzeugen ihre Fahrmanöver entsprechend optimal zu gestalten, ohne sich dabei selbst zu gefährden.

Einbindung nicht-automatisierter Fahrzeuge und anderer Verkehrsteilnehmer

Gegenwärtig überwiegt noch der Anteil nicht-automatisierter Fahrzeuge, und das vollautomatisierte Fahren steckt noch in der Entwicklung. Daher müssen auch nicht- und nur teilautomatisierte Fahrzeuge sowie andere Verkehrsteilnehmer in das System eingebunden werden. Dies kann dann über mobile Endgeräte, wie z.B. Smartphones und Tablets, geschehen. Denn wie es bei Navigationsapps bereits Standard ist, lassen sich auch mit diesen Geräten Daten zu Position, Wegeplanung und Geschwindigkeit erheben und übermitteln. In diesem Fall werden sie an das AORTA-Cloud-System gesendet und tragen dazu bei, das Lagebild zu verfeinern. Im Gegenzug können die Nutzer auf diesem Weg auch frühzeitig über herannahende Einsatzfahrzeuge informiert werden und genaue Fahranweisungen zur Bildung der Rettungsgasse beziehen.

Das zum 1.1.2021 begonnene AORTA-Projekt läuft noch bis Mitte 2023 und wird vom Bund mit rund 4 Mio. Euro gefördert.

 

 

 


Foto: jjfoto

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