Neue Verkehrskampagne auf der Straße

Unter dem Hashtag #mehrAchtung ist eine bundesweite Initiative für mehr Rücksichtnahme im Straßenverkehr gestartet. Als Teil der Verkehrssicherheitskampagne „Runter vom Gas“ soll sie das Verkehrsklima nachhaltig verbessern. Nicht durch Vermeidung von Schadstoff-Emissionen, sondern durch Förderung von positiven Emotionen. Unterstützt und begleitet von einer großen Allianz von Partnerorganisationen aus dem Mobilitätsbereich, darunter auch der BAVC, ist #mehrAchtung ein weiteres Element der Präventionsbemühungen, die „Vision Zero“ Wirklichkeit werden zu lassen: keine Getöteten und Schwerverletzten im Straßenverkehr.

Die Kampagne unter der Federführung des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) und des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR) setzt bewusst auf den Faktor Mensch in all seinen Facetten, Verhaltensweisen und Befindlichkeiten. Bringt das was? Die der Kampagne zugrundeliegende Forschung sagt: Ja. Und die Unfallstatistik? Die zeigt Handlungsbedarf.


Kleiner Exkurs zur Unfallstatistik 2022
Statistik versus Selbstwahrnehmung
Gefahrenbereich gemischte Verkehrszonen
Wenn Sanktionen und bauliche Maßnahmen allein nicht mehr ausreichen
Wichtigste Erkenntnis – nicht nur für Autofahrer: Du fährst so, wie Du Dich fühlst.
Nichts ist praktischer als eine gute Theorie.
Ausgewählte Kampagnenmotive

Kleiner Exkurs zur Unfallstatistik 2022

Laut statistischem Bundesamt stieg im Jahr 2022 die Zahl der Straßenverkehrsunfälle im Vergleich zum Vorjahr um 4 Prozent auf rund 2.4 Mio. Die Zahl der dabei Verletzten erhöhte sich um 12 Prozent auf 361.134 Personen. Die der Getöteten stieg um 9 Prozent auf 2.788. Zwar sind die Zahlen der Getöteten und Verletzten damit noch immer auf einem der niedrigsten Stände seit 70 Jahren. Doch über das Jahr verteilt bedeutet das 8 Tote und 989 Verletzte im Straßenverkehr pro Tag. Eindeutig zu viel.

Unfallschwerpunkt Ortschaft

70 Prozent aller Unfälle mit Personenschaden ereigneten sich innerhalb von Ortschaften, 24 Prozent auf Landstraßen und 6 Prozent auf Autobahnen. Allerdings haben Unfälle auf Straßen außerhalb von Ortschaften unter anderem wegen der höheren Fahrgeschwindigkeiten oft schlimmere Folgen als auf innerörtlichen Straßen.

Auf Landstraßen kommen weitere Risikofaktoren wie die fehlende Trennung zum Gegenverkehr, schlechte Überholmöglichkeiten oder ungeschützte Hindernisse am Fahrbahnrand, wie z.B. einzelne Bäume oder Alleen, hinzu. Dies zeigt auch die Zahl der Verkehrstoten: 57 Prozent aller bei Unfällen im Straßenverkehr Getöteten kamen auf Landstraßen ums Leben. 32 Prozent starben bei Unfällen innerorts und 11 Prozent auf Autobahnen.

Die meisten Verkehrstoten noch immer durch Pkw-Unfälle

Insgesamt 1.192 Personen kamen im Jahr 2022 in einem Pkw ums Leben. Das entspricht 43 Prozent aller Verkehrstoten. 492 Menschen verunglückten auf einem Kraftrad mit amtlichem Kennzeichen (Motorrad, Moped, Motorroller) tödlich (18 Prozent aller Verkehrstoten), 474 mit dem Fahrrad und 368 zu Fuß (17 Prozent bzw. 13 Prozent aller Verkehrstoten).

Unter den getöteten Fahrradfahrerinnen und -fahrern waren 208 mit einem Pedelec bzw. E-Bike unterwegs. 127 Menschen (5 Prozent aller Verkehrstoten) waren Insassen eines Güterkraftfahrzeugs und 10 Menschen verunglückten mit einem E-Scooter tödlich.

Positiv: Seit 2000 deutlich weniger Tote durch Pkw-Unfälle und weniger Verkehrstote insgesamt

In den Jahren von 2000 bis 2022 sank die Zahl der Menschen, die durch Verkehrsunfälle ums Leben kamen, insgesamt um 63 Prozent. Bei Pkw-Insassen war der Rückgang um 73 Prozent besonders hoch.

Negativ: Anteil getöteter Zweiradfahrer steigt

So erfreulich der überdurchschnittliche Rückgang bei der Zahl tödlich verunglückter Pkw-Insassen ist – sie machen nach wie vor den Hauptanteil der Verkehrstoten aus – so bedauerlich ist, dass bei Kraftrad- und Fahrradfahrern der Rückgang tödlicher Unfälle nur unterdurchschnittlich ist. Die Zahl tödlich verunglückter Kraftradfahrer sank nur um 48 Prozent und die Zahl tödlich verunglückter Fahrradfahrer sogar nur um 28 Prozent.

Bezogen auf die Gesamtzahl der Verkehrstoten führt dies dazu, dass sich ihr prozentualer Anteil daran sogar erhöht: Der Anteil getöteter Kraftradfahrer steigt von 13 auf 18 Prozent. Der Anteil getöteter Radfahrer verdoppelt sich nahezu von 9 auf 17 Prozent.

Statistik versus Selbstwahrnehmung

Trotz der Erfolge bei der Reduzierung der Verkehrsopferzahlen lautet die Frage also nach wie vor: Welche Maßnahmen können dazu beitragen, diese weiter zu senken? Und wie steht es um die Selbstwahrnehmung der Verkehrsteilnehmer?

Ein Großteil der Autofahrer hegt keine Zweifel an seinen Fahrkünsten und hält sich für gute Verkehrsteilnehmer. Das ist nicht neu und scheint noch immer zu gelten. Eine repräsentative Umfrage mit 10.000 Teilnehmern, durchgeführt vom Meinungsforschungsunternehmen Civey im Auftrag der DEVK im September 2020, legt das zumindest nahe. So attestierten sich 72,8 Prozent der Männer, ein sehr guter oder eher guter Autofahrer zu sein. Bei den Frauen taten dies „nur“ 70,4 Prozent. Ob dieses Mindset auch für andere Verkehrsteilnehmergruppen gilt? Weshalb sollte es dort anders sein?

Wer sich als sicheren und souveränen Fahrer ein- oder gar überschätzt, ist auch eher bereit, ein größeres Risiko einzugehen. Das kann vor allem auf Autobahnen und Landstraßen zum Verhängnis werden und dürfte mit eine Erklärung dafür sein, dass die meisten tödlichen Unfälle auf Landstraßen passieren.

Gefahrenbereich gemischte Verkehrszonen

Das innerörtliche Verkehrsgeschehen ist hingegen weniger homogen. Denn hier teilen sich unterschiedlichste Verkehrsteilnehmer in unterschiedlichsten Geschwindigkeiten und Verwundbarkeiten den Straßenraum.

Maßnahmen wie getrennte Fahrspuren, ein eigenes Wegenetz oder gesonderte Ampelphasen tragen bereits wesentlich dazu bei, Unfallursachen zu vermindern und Unfallschwerpunkte zu entschärfen. Dennoch bleibt der innerörtliche Bereich der Ort, an dem die meisten Unfälle mit Personenschaden passieren (70 Prozent im Jahr 2022).

Wenn Sanktionen und bauliche Maßnahmen allein nicht mehr ausreichen

Schärfere Ahndung von Fehlverhalten und auch bauliche Maßnahmen können viel zur Verkehrssicherheit beitragen. Doch die Bemühungen um das Erreichen der Vision Zero wären unvollständig, wenn sie nicht auch Mittel und Wege suchten, auf das individuelle Verhalten aller Verkehrsteilnehmer einzuwirken. Und das wird von Affekten, Befindlichkeiten, Ablenkungsquellen und nicht zuletzt auch vom Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer beeinflusst. Genau hier setzt die Kampagne #mehrAchtung an.

Wichtigste Erkenntnis – nicht nur für Autofahrer: Du fährst so, wie Du Dich fühlst.

Jeder kann ein Lied davon singen, was er als Radfahrer, Motorrad-, Autofahrer oder Fußgänger Tag für Tag auf den Straßen erlebt. Da wird gehupt und gedrängelt, obwohl sich der Stau keinen Deut schneller auflöst. Autofahrer nehmen Radfahrern die Vorfahrt, weil sie abgelenkt sind oder zu faul zu bremsen. Manche Radfahrer oder auch Fußgänger betrachten rote Ampeln grundsätzlich nur als Vorschlag und stoppen nicht, weil sie es eilig haben oder für sich als bedrohte Spezies ein generelle Regelimmunität in Anspruch nehmen.

Andererseits dürfte sich ein Großteil aller Verkehrsteilnehmer an die Regeln halten. So ist es immer ein kleiner Prozentsatz, der das Klima für alle beeinträchtigt, für Frust und Aggressionen sorgt und damit das Risiko für alle steigen lässt.

„Menschen fahren so, wie sie sich fühlen“, konstatiert etwa der Verkehrspsychologe Hardy Holte. Wer gestresst, wütend oder traurig am Straßenverkehr teilnimmt, verhalte sich aggressiv und fahre unter Umständen zu schnell. Und das hat Folgen. Welche, das belegen Umfragen des Instituts für angewandte Sozialwissenschaft (infas).

Seit vielen Jahren führt infas Befragungen und Erhebungen der Markt- und Sozialforschung für Wirtschaft, Wissenschaft und Politik durch. Von diesem Erfahrungsschatz profitiert auch die Initiative #mehrAchtung.

Bei einer jüngeren Erhebung ging es nicht nur um das allgemeine Verkehrsklima, sondern ergänzend um die eigene Rücksichtnahme im Straßenverkehr, das Sicherheitsgefühl und weitere damit verbundene Fragen. Es zeigte sich, wie achtsam und rücksichtsvoll wir in vielen Lebensbereichen mit uns selbst und mit unseren Mitmenschen umgehen. Warum also nicht auch im Straßenverkehr?

Aggression und Achtung sind ansteckend.

Ob gewollt oder ungewollt – Andere können uns im Straßenverkehr leicht auf die Palme bringen. Das bestätigt ein Großteil der Befragten. Die Achtsamkeitsstudie zeigt: Für sie ist absichtlich rücksichtsloses Verhalten anderer neben Stau und schlechtem Wetter der Hauptfaktor für Stress im Straßenverkehr.

Doch die Aggressionslawine funktioniert auch umgekehrt: Mehr als 60 Prozent der Befragten geben an, durch das erlebte achtsame Verhalten anderer im Straßenverkehr besonders motiviert zu sein. Und mehr als 80 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass achtsames Verhalten das Unfallrisiko reduzieren kann.

Nichts ist praktischer als eine gute Theorie.

Um gefährliche und belastende Situationen möglichst zu vermeiden, gilt es, sich aufmerksam und vorausschauend durch den nicht immer übersichtlichen Verkehrsdschungel zu bewegen. Und wenn es doch einmal brenzlig wird: Aufmerksam sein, Einfühlungsvermögen zeigen und sich nicht aus der Ruhe bringen lassen – das macht die Straßen für alle sicherer.

Damit die Vision Zero Wirklichkeit werden kann, müssen also nicht nur die Gestalter des Straßenverkehrssystems einen Beitrag leisten, sondern auch diejenigen, die es nutzen. Und das sind alle, die am Straßenverkehr teilhaben: im Auto, auf dem Rad, zu Fuß, mit dem E-Scooter, in Bus und Bahn, mit dem Motorrad, im LKW oder im Traktor.

Ich kann mich über alles und jeden aufregen, aber ich bin nicht verpflichtet dazu. Ohne Stress fällt die dafür nötige Gelassenheit um so leichter.

Medien der #mehrAchtung-Kampagne sind großformatige Plakate, die deutschlandweit Autobahnen säumen, eine Website, eine Facebookseite und ein Instagram-Kanal mit laufend ergänzten Beiträgen zum Thema.

Ausgewählte Kampagnenmotive

Kampagnenmotive #mehrAchtung, Quelle: DVR

Kampagnenmotive #mehrAchtung, Quelle: DVR

Kampagnenmotive #mehrAchtung, Quelle: DVR
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Weitere Informationen

#mehrAchtung-Kampagnenwebsite [externer Link]

 

 

 


Bild: picsmart/DVR

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